Der erste Museumszug – Das "Bernauer Viertel"
Bilder |
Außenansicht |
schwere Schäden durch Feuchtigkeit |
Video einer Fahrt im Steuerwagen (2016) |
Fahrt im Museumszug 2303/5447 |
Beschreibung
(a) Allgemeines über die Bauart Stadtbahn
Nach dem Probetrieb auf den nördlichen Vortortstrecken nach Bernau, Oranienburg und Velten begann die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) mit der Entwicklung eines Fahrzeugtyps für die geplante „Große Elektrisierung der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen". Die Erfahrungen mit den Vorserienfahrzeugen der Bauart 1925 (Oranienburg) flossen in die Entwicklung mit ein: die "Stadtbahner" erhielten leichtere Wagenkästen und eine bessere elektrische Ausrüstung. Die DRG beauftragte sechs Herstellerfirmen, welche als Lieferkartell die Großserie fertigen sollten.
Der Probezug traf 1927 in Berlin ein, im selben Jahr begann die Serienfertigung. Bis 1931 wurden insgesamt 1276 Wagen geliefert. Damals ein Rekord! Die Wagen kamen von den Firmen in das neu errichtete Reichsbahnausbesserungswerk Berlin-Schöneweide und wurden dort elektrisch ausgerüstet. Am 6. Juni 1928 wurde der elektrische Betrieb auf der Strecke Potsdam—Erkner feierlich eröffnet.
In den folgenden Jahrzehnten bildeten diese Fahrzeuge das Rückgrat der Berliner S-Bahn und wurden mehrfach modernisiert. So fuhren die Stadtbahner in Form der Baureihe 476/876 noch bis ins Jahr 2000 durch Berlin und das Umland. Diese Einsatzzeit von über 70 Jahren ist absolut untypisch für ein Schienenfahrzeug und war auch der besonderen politischen Situation in Berlin geschuldet.
Die Fahrzeuge bestanden anfangs aus Trieb- und Steuerwagen (461 Viertelzüge), um zwei Wagen als kleinste betriebliche Einheit nutzen. Der große Erfolg des neuen Verkehrsmittels bewirkte ein Umdenken: Die Reichsbahn bestellte die restlichen Viertelzüge mit Beiwagen anstelle von Steuerwagen. Etliche Steuerwagen wurden ab 1942 zu Beiwagen umgebaut.
(b) Informationen zu diesem Fahrzeug
Das Ministerium für Verkehrswesen der DDR beschloss in den 1970er Jahren einige Zeugen der Eisenbahngeschichte zu erhalten. In Berlin sollte ein Viertelzug der Bauart Stadtbahn in den Auslieferungszustand von 1928 zurückversetzt werden. Allerdings waren im Ostnetz nur noch wenige Züge verfügbar, bei denen die Steuerwagen nicht zu Beiwagen umgebaut worden waren. Daher wurde Viertelzug 275 659/660 aus dem Westberliner Netz genutzt, der zuletzt zwischen Zehlendorf und Düppel im Einsatz war.
Anfang 1984 begann die Restaurierung im Raw Schöneweide. Nach über zwei Jahren Umbauzeit fand die offizielle Übergabe am Bahnhof Alexanderplatz am 28. Juni 1987 statt – pünktlich zu den Feierlichkeiten zur 750-Jahr-Feier Berlins. Der Viertelzug war in den Folgejahren in der Triebwagenhalle Bernau stationiert, was ihm bis heute den Beinamen „Bernauer Viertel“ einbrachte.
Mit Beginn der S-Bahn-Krise stellte die S-Bahn das Fahrzeug ab 2009 bedauerlicherweise mehrere Jahre im Freien ab. Der Viertelzug hat erheblichen Schaden genommen: Die Holztüren sind aufgequollen, wobei sogar Beschläge deformiert wurden; der Außenlack ist teilweise verwittert und schlägt Blasen; die edle Inneneinrichtung muss instandgesetzt werden.
Im Sommer 2016 wurde der Viertelzug für Dreharbeiten für die Serie "Babylon Berlin" benötigt. Für diesen Anlass wurde die elektrische Anlage und Teile der Bremsanlage instandgesetzt, so dass Fahrten aus eigener Kraft wieder möglich sind.
Technische Daten | |
Bauart | 1927 (Stadtbahn) |
Baujahr | 1928 |
Einsatzzeit | 1928 – 1987, danach Museumszug |
Antriebsleistung | 360 kW (4 x GBM 700) |
Höchstgeschwindigkeit | 80 km/h |
Wagenlänge (über Kupplung) | 35.460 mm (Viertelzug) |
Sitzplätze | 112 |
Zustand | wie bei Auslieferung 1928 mit dritter und edler zweiter Wagenklasse; funktionsfähig |